Dr. Maria Neumann

Wissenschaftliche Mitarbeit

neumann@documenta-institut.de

Vita

Studium der Geschichtswissenschaften, Politik- und Verwaltungswissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität zu Berlin, der Universität Potsdam und der Uniwersitet Wrocławski. Promotion „Die Kirche der Anderen. Religiöse Vergesellschaftung und Kalter Krieg im geteilten Berlin-Brandenburg, 1945 1990“ an der Humboldt-Universität zu Berlin; gefördert durch ein Stipendium des Evangelischen Studienwerks Villigst e.V. und ein Caroline von Humboldt-Abschlussstipendium der Humboldt-Universität zu Berlin. 2016 2017 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin; seit 2021 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am documenta Institut; seit 2024 assoziierte Wissenschaftlerin an der Universität Kassel.

Forschungsvorhaben

NS-Vergangenheiten der documenta-Akteur*innen

Zu den Gründungsfiguren der documenta zählt auch August-Martin Euler, ohne dass er auf der Vorderbühne der Ausstellung von 1955 präsent gewesen ist. Euler wurde 1908 in Kassel geboren. Seit Kriegsbeginn war er Jurist bei der IG Farben, wo er unter anderem in die Ausbeutung von Zwangsarbeiter*innen und KZ-Häftlingen involviert war. 1944 etwa trug er den Buna-Werken in Schkopau den „Einsatz ungarischer Juden“ als Arbeitskräfte an. Dabei war Euler weder Mitglied der NSDAP, noch gehörte er zur SA oder der SS. Nach dem Krieg wurde er als Nichtbetroffener entnazifiziert und begann eine steile politische Karriere. Als Landesvorsitzender der hessischen FDP bot er vielen ehemaligen NSDAP-Mitgliedern eine neue politische Heimat und suchte die Nähe zu rechtsextremen Organisationen. Auch verteidigte er in der sogenannten Naumann-Affäre ehemalige Nationalsozialisten und Kriegsverbrecher, die versucht hatten, die FDP zu unterwandern. Gleichzeitig setzte er sich im Bundestag für die Verabschiedung mehrerer Amnestiegesetze für nationalsozialistische Täter*innen ein.
In diesen Jahren wurde Euler in die Vorbereitungen der ersten documenta einbezogen. Viele der beteiligten Personen kannte er privat. Der Vorsitzende des ersten Trägervereins, Heinz Lemke, hatte in Eulers Spruchkammerverfahren sogar für ihn ausgesagt. Eulers politische Positionen waren sicher bekannt. Aber Arnold Bode schien sich, wie alle anderen, nicht daran gestört zu haben. Denn Euler war für das Unternehmen documenta wichtig: Er öffnete im politischen Bonn viele Türen. Er war es auch, der Bundespräsident Theodor Heuss davon überzeugte, die Schirmherrschaft für die Ausstellung zu übernehmen.
Warum sich also mit einer scheinbaren Randfigur auf der Hinterbühne der documenta beschäftigen? An Euler zeigt sich, dass die Geschichte der documenta mehr ist als die Geschichte einer Kunstausstellung. Sie hat sich in die Kultur- und Politikgeschichte der Bundesrepublik eingeschrieben. Für Männer wie Euler handelte es sich von Anfang auch um ein politisches Projekt mit einer vergangenheitspolitischen Agenda. Er zielte darauf ab, ehemalige Nationalsozialisten in alle Bereiche der bundesrepublikanischen Gesellschaft zu integrieren und ihre Verbrechen vergessen zu machen.

Forschungsschwerpunkte

  • Geschichte der documenta

  • Kunst und Kulturpolitik im Nationalsozialismus und im Kalten Krieg

  • Antisemitismus im Kunstfeld

Presse/Interviews

HNA (2024), Wie die Kasseler mit der documenta leben: „Die Unruhe gehört mit zum Erfolgsrezept“, erschienen am 19.03.2024.

Vorträge (Auswahl)

03 I 2025 Wohin wir wollen. Konzeptionelle Überlegungen und das Fallbeispiel Hermann Mattern. (documenta Institut)

01 | 2024 Als Historikerin auf einer Ausstellung für Gegenwartskunst. Kassel und die Antisemitismus-Kontroverse um die documenta fifteen (Humboldt-Universität zu Berlin)

11 | 2023 Die documenta-Stadt – Gastgeberin einer Weltkunstausstellung. Oder: Kassel und die Antisemitismuskontroverse um die documenta fifteen (Kunstverein Nürnberg – Albrecht Dürer Gesellschaft)

05 I 2022 NS-Vergangenheiten der documenta-Akteur*innen. Ein Werkstattbericht (Universität Kassel)

Veranstaltungen 

03 I 2025 Das traktierte Gedächtnis. Welche Strategien, vor welchem Hintergrund und mit welchen Akteuren?, Kassel (mit Prof. Dr. Felix Vogel)

04 I 2024 Buchpräsentation: Bruch und Kontinuität. Kunst und Kulturpolitik nach dem Nationalsozialismus, Kassel.

11 I 2023 Symposium: Die documenta fifteen als Zäsur? Kunst, Politik, Öffentlichkeit, Kassel

06 I 2023 Kunst und Kultur zwischen 1945 und 1955. Interdisziplinarität in der Praxis. Ein experimenteller Workshop, Kassel (mit Prof. Dr. Felix Vogel)

06 I 2022 In der Reihe „Vergiftete Verhältnisse“: Kunst und Gesellschaft in Italien und Deutschland: Antifaschismus oder Postfaschismus, Gespräch mit Claudia C. Gatzka, Kassel

05 I 2022 In der Reihe „Vergiftete Verhältnisse“: Der Fall Haftmann: Aus Täterschaft zum Erfolg, Gespräch mit Vincenza Benedettino und Carlo Gentile, Kassel

05 I 2022 NS-Vergangenheiten und Kontinuitäten von Kunstinstitutionen, Kassel (mit Prof. Dr. Felix Vogel)

11 I 2018 Es ist nicht alles gesagt. Ein Workshop zur DDR-Forschung, Berlin (mit Dr. Steffi Brüning)

Publikationen (Auswahl)

I. Monografien

Neumann, Maria (2023): Die Kirche der Anderen Christliche Religionsgemeinschaften und Kalter Krieg im geteilten Berlin-Brandenburg, 1945–1990: De Gruyter.

II. Herausgeberschaften

Neumann, Maria; Vogel, Felix (Hg.) (2024): Bruch und Kontinuität. Kunst und Kulturpolitik nach dem Nationalsozialismus. Berlin: Hatje Cantz.

III. Aufsätze

Neumann, Maria (2025): documenta-Stadt Kassel – Gastgeberin einer Weltkunstschau. In: Bude, Heinz/Mendel, Meron (Hg.): Kunst im Streit. Antisemitismus und postkoloniale Debatte auf der documenta fifteen, Frankfurt, S. 221-244.

Neumann, Maria (2024): In zweifelhafter Gesellschaft? Adolf Arndt und August-Martin Euler. Zwei vergangenheitspolitische Akteure der ersten documenta 1955. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 72 (2), S. 139–160.

Neumann, Maria (2021): Grenzenlose Möglichkeiten? Die Kirchen im Nachkriegsberlin. In: Michael Höhle (Hg.): Wichmann Jahrbuch des Diözesangeschichtsvereins Berlin. Berlin, S. 42–53.

Neumann, Maria (2018): Der Nächste ist ein Anderer. Grenzübergreifende Gemeindepartnerschaften in Berlin und Brandenburg während des Kalten Kriegs. In: Interdisciplinary Journal for Religion and Transformation in Contemporary Society (6), S. 224–253.

Neumann, Maria (2017): „Wir gehören zusammen!“ Christliche Gemeinschaft und kirchliche Zeitungen im geteilten Berlin. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Deutschland Archiv (Deutschland Archiv, 10201).

Neumann, Maria (2017): Religion in der geteilten Stadt. Christliche Vergesellschaftung und Kalter Krieg in Berlin. In: Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte (11), S. 115–124.