Monographie: Kojèves verkannte Autorität

07 / 2025

Publikation von Marius Kemper jetzt im Turia + Kant Verlag erschienen

Die Monographie Kojèves verkannte Autorität ist jetzt erhältlich

In einem kleinen Raum der École pratique des hautes études in Paris infizierte Alexande Kojève in den 1930er Jahren eine ganze Generation junger Intellektueller mit dem „Hegelschen Virus“. Taumelnd, „halb erstickt“ verließ Georges Bataille die Seminarsitzungen, die zum Anlass seiner Lehre vom souveränen Leben wurden, das wie kein anderes Michel Foucaults wahnsinniges Lachen verkörpern sollte. Foucault war es auch, der in seiner Antrittsvorlesung am Collège de France erkannt hat, dass der Virus längst aus dem stickigen Seminarraum gedrungen war und als „allgemeiner Anti-Hegelianismus“ noch unter seiner Generation grassierte. Man müsse daher ermessen, „wie weit uns Hegel insgeheim vielleicht nachgeschlichen ist; und was in unserem Denken gegen Hegel vielleicht noch von Hegel stammt“.

Das Buch versucht, in der untrennbaren Einheit von theoretischer Erklärung und seinsgebundener Erzählung der unmittelbaren und mittelbaren Wirkung Kojèves nachzuspüren. Dabei wird im Sinne einer performativen Interpretation das wirkungsgeschichtliche Echo der Lehre Kojèves in Theorien zur Autorität, Macht oder Herrschaft rekonstruiert. Kojève soll wiederholt, nicht aber dergestalt vergegenwärtigt werden, wie er selbst Hegel vergegenwärtigte, indem er ihn im Rahmen seiner berühmten Seminare von 1933 bis 1939 virtuell zum Zeitgenossen machte. Während dieses „intellektuellen Pfingsterlebnisses“ entwickelte Kojève in actu seine eigene Lehre, was ihm, dem bürgerlichen Emigranten aus Sowjet-Russland, zu einer einzigartigen Stellung im intellektuellen Feld Frankreichs verhalf. Jene Sonderstellung wird deutlich durch den Einfluss, den Kojève auf so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Pierre Bourdieu, Michel Foucault, Georges Bataille, Carl Schmitt und Leo Strauss ausübte. Das Denken dieser Autoren kreiste um Begriffe wie Macht, Herrschaft, Souveränität oder Tyrannis, weniger jedoch um Autorität. Kojève hingegen entwickelte eine viergliedrige Autoritätstheorie, wobei sich die von ihm unterschiedenen vier Autoritätsfiguren durch Teilnehmende seiner Seminare ersetzen lassen: die Figur des „Richters“ kann statt mit Platon mit Jacques Lacan besetzt werden; Hannah Arendt ersetzt die Scholastiker; Maurice Merleau-Ponty verkörpert anstelle von Aristoteles die Figur des „Anführers“ und nicht Hegel, sondern Hegel in der Interpretation Kojèves, daher häufig als „Hegel-Kojève“ apostrophiert, inkarniert (scheinbar zumindest) die Figur des „Herrn“. Auch in Kojèves spätem Memorandum für ein „Lateinisches Reich“ bleiben diese Denkfiguren präsent. Es handelt sich also weniger um eine Vergegenwärtigung Kojèves, denn um eine performative Wiederholung im Sinne Derridas, im Zuge derer sich jedoch nicht nur Kojèves Gegenwart, sondern ebenso seine Gegenwärtigkeit zeigen soll.

Das Buch ist im Handel erhältlich.


Personen

Marius Kemper
Wissenschaftliche Mitarbeit