Drei Fragen an Felix Vogel

Interview

Seit Oktober 2021 sind alle Professuren des documenta Instituts besetzt. Mit Mi You, Felix Vogel und Liliana Gómez kamen Wissenschaftler:innen nach Kassel, die ihre jeweiligen Hintergründe, Ideen und Perspektiven in das documenta Institut einbringen. Einen ersten Eindruck davon wollen wir in der Reihe „Drei Fragen an…“ vermitteln. Dafür stellte Heinz Bude den Professor:innen folgende Fragen: Wie wurden Sie auf die Ausschreibung Ihrer Professur aufmerksam? Welchen Hintergrund bringen Sie mit? Und wo wollen Sie hin? Die Antworten der ersten Folge gibt Felix Vogel.


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HB: Herr Vogel, wissen Sie noch, in welcher Zeitung Sie auf die Stellenausschreibung aufmerksam wurden? FV: Ich habe es wahrscheinlich in der Mailingliste H-ArtHist gelesen. Mich haben an der Ausschreibung gleich mehrere Punkte interessiert: Die Forschung und Lehre am Fachbereich Architektur und zugleich der Kunsthochschule, die Fokussierung auf Ausstellungen jenseits der Curatorial Studies und nicht zuletzt auch die Denomination Kunst und Wissen als Konnex, der meine bisherige Forschung zwischen Kunst-, Architektur- und Wissensgeschichte gut beschreibt. Zudem war das die unwahrscheinliche Möglichkeit, in der glücklichen Lage zu sein, ein eigenes Fachgebiet und ein ganz neues Institut zu erfinden... HB: ... oder unglücklichen Lage… FV: ... oder auch das. Aber es ist jedenfalls aufregender als in ein gemachtes Nest zu kommen. Insbesondere wenn man, wie ich, ein wenig zwischen den Stühlen sitzt: Promotion über Gartenbaukunst im 18. Jahrhundert, Forschung zur Conceptual Art, zur Metageschichte des Kuratierens... Das sind alles Themen, die sich an der Schnittstelle des Fachbereichs Architektur, der Kunsthochschule und dem documenta Institut verbinden lassen, wie dies sonst kaum wo möglich ist. HB: Im Grunde haben sie ja schon ein bisschen was zu der Perspektive, zu dem Ausgangspunkt gesagt, von dem aus Sie an die Dinge herangehen. Vielleicht können Sie dann noch ein paar Sätze dazu sagen? FV: Meine Dissertation behandelt den in den 1780er Jahre von Marie-Antoinette in Auftrag gegebenen Hameau de la Reine. Dabei handelt es sich um eine so genannte ferme ornée, also einen „Schmuckbauernhof“, wie sie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in zahlreichen (aristokratischen) Gartenanlagen erbaut wurden. In Bezug auf das documenta Institut mutet das vielleicht etwas seltsam an, ab er es gibt mindestens zwei Punkte, die hier anschlussfähig sind: Einerseits tauchen in der Gartenanlage grundlegende Probleme der Moderne auf: Authentizität und Natürlichkeit, Geschichte und Ursprünglichkeit, Subjektivierung. Andererseits hat es tatsächlich auch etwas mit Fragen des Ausstellens zu tun, schließlich ist die Architektur primär durch ihren Schauwert bestimmt und die dort anwesenden Personen können durchaus als „ausgestellte Körper“ verstanden werden, wie wir sie erst knapp hundert Jahre später auf den Weltausstellungen kennen. Daneben befasste und befasse ich mich auch immer mit Gegenwartskunst und Ausstellungen. Ein größeres Projekt befasst sich mit der Künstler:innengruppe Art & Language von den 1960er Jahren bis heute. Darin geht es u.a. um die Theoriehaftigkeit von Kunst, um die Idee von Kunst als politische Praxis und schließlich auch um Fragen der Übersetzung von Konzepten in Ausstellungen. Man könnte sagen, dass mich in Bezug auf die Geschichte und Theorie der Ausstellung vermeintlich Nebensächliches interessiert: Etwa die Auseinandersetzung mit Displays, insbesondere mobilen Displaysystemen, die ihre Aufgabe in der Ermöglichung haben und daher oft in den Hintergrund rücken. Auch meine Problematisierung des „kuratorischen Diskurses“ ist eher ein Thema, das eine Metaebene der Ausstellungsgeschichte erschließt. Leitend ist hierbei die Frage, wie Kurator:innen über Ausstellungsgeschichte schreiben und welche Verbindlichkeiten damit – u.a. für die Curatorial Studies – geschaffen werden. Kurz gesagt, hat das mit einer Kritik an Modellen kuratorischer Autor:innenschaft zu tun. Ein weiteres Projekt, das sich erst am Anfang befindet, befasst sich ebenfalls mit oftmals hintergründigen Prozessen: Darin widme ich mich den Infrastrukturen des Ausstellens, angefangen bei der Logistik, über Leihverträge… also das Art Handling bis zum konkreten (meist kollektiven) Aufbau von Ausstellungen. HB: Wo wollen Sie hin? FV: Hier in Kassel bleiben und die großartige Chance der Mitgestaltung des documenta Instituts wahrnehmen. Das knüpft letztlich auf einer praktischen Ebene direkt daran an, was mich bereits theoretisch beschäftig hat: Die Dezentrierung der Autor:innenschaft in Ausstellungen – weg von Kurator:innen, hin zu anderen Akteur:innen, die oft unsichtbar bleiben. Mit dem documenta archiv haben wir einen enorm wichtigen Bestand, aus dem heraus sich die Genese dessen, was wir heute „das Kuratorische“ nennen, rekonstruieren lässt – gleichsam natürlich immer auch mit einem Blick über Kassel und die documenta hinaus. Das heißt letztlich auch, dass es vielleicht weniger um die Ausstellung, als um das Ausstellen selbst gehen muss. Also um eine Kulturtechnik, die sehr viel älter ist als die documenta und auch älter als der Paris Salon, der Ende des 17. Jahrhunderts entstand und oft als der Ausgangspunkt für die (moderne) Kunstausstellung aufgefasst wird. Zu untersuchen wären dann nicht nur Ausstellungen selbst, sondern Praktiken, die ebenfalls einen „expositorischen Charakter“ haben: Von Spolien über Menagerien bis zu Shopping Malls. Es klingt immer selbstverständlich, dass der Aufbau von etwas Neuem etwas Großartiges ist. Es ist aber auf vielen Ebenen eine große Herausforderung. Denn sowohl im akademischen Bereich als auch im Kunstbetrieb sind wir gerade an einem Punkt, an dem eine rigorose Selbstkritik von Institutionen notwendig ist und auch vielerorts durchgeführt wird – sei es in Bezug auf Machtverhältnisse und Hierarchien, auf eine problematische Geschichte, auf strukturellen Rassismus etc. Mit dem documenta Institut sind wir in der Lage, eine solche Reflexion bereits von Anfang an anzustrengen und in die Struktur zu implementieren.